Aus Sicht des Wohlfahrtsverbands sind die geplanten Maßnahmen unverhältnismäßig und können auch verfassungswidrig sein.
In einem Brief appelliert der Paritätische an die Abgeordneten der Ampel-Fraktionen im Deutschen Bundestag, den Vorschlägen der Bundesregierung zur Wiedereinführung und gravierenden Verschärfung von Sanktionsmöglichkeiten gegenüber erwerbslosen Menschen nicht zu folgen. Aus Sicht des Wohlfahrtsverbands sind die geplanten Maßnahmen unverhältnismäßig und können auch verfassungswidrig sein. Durch die Streichung existenzsichernder Regelleistungen würden die Betroffenen, die vielfach eigentlich auf individuelle Beratung und Hilfe in schwierigen Lebenssituationen angewiesen wären, in Not und Überschuldung getrieben.
Der Paritätische kritisiert die Pläne der Ampel-Koalition als “Symbolpolitik”. Der Vorwurf, “Menschen unverschuldet in Not zu bringen und vorhandene Ressentiments gegen Erwerbslose zu bestärken, ist nicht von der Hand zu weisen”, heißt es in dem Schreiben. Etwa ein Drittel der Leistungsbeziehenden in der Grundsicherung für Arbeitsuchende seien von psychischen Beeinträchtigungen betroffen. Bei vielen, die von Sanktionen bedroht sind, lägen körperliche Beeinträchtigungen, Sprachprobleme und Leseschwächen vor. Die Kalkulation zum möglichen Einsparpotenzial durch die geplanten Maßnahmen hält der Verband entsprechend für vollkommen unrealistisch. “Um 170 Millionen Euro im Jahr einzusparen, müssten etwa 150.000 Bürgergeldbeziehende entsprechend sanktioniert werden. So viele willentliche Verweigerer gibt es nicht”, stellt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands klar.
“Es ist ein Zerrbild, dass die Menschen sich in großer Zahl in die soziale Hängematte legen. Zahlreiche Betroffene befinden sich vielmehr in einer schlimmen Notsituation: Einige sind psychisch krank, andere haben Suchtprobleme. Viele Menschen bräuchten nach Jahren der Langzeitarbeitslosigkeit mindestens eine sehr intensive Begleitung, um eine Chance zu haben, ins Arbeitsleben zurückzukehren”, so Schneider. Statt Drohgebärden und Strafen, die existenzielle Nöte noch verschärften, brauche es pragmatische Unterstützungsmaßnahmen.
Der Verband weist darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht die Hürden für so weitgehende Sanktionen, wie sie vorgesehen sind, außerordentlich hoch gelegt hat. “Es dürfte aller Voraussicht nach zu einer hohen Zahl von Widersprüchen und Klagen kommen - im Zweifelsfalle erneut bis nach Karlsruhe”, warnt der Verband die Bundestagsabgeordneten.
Wie auch andere Organisationen werde sich der Paritätische nicht verweigern, von Vollsanktionen betroffene Menschen bei der Wahrung ihrer Rechte zu unterstützen und ungerechtfertigte Sanktionen abzuwenden. Der Paritätische hofft auf Vernunft und Weitblick der Abgeordneten: “Noch besteht die Gelegenheit, die geplanten Kürzungen und mit ihnen eine Vielzahl von Widerspruchsverfahren und Klagen abzuwenden.”