Seit nunmehr 50 Jahren berät und unterstützt der Verein Hamburger Tagesmütter und -väter Kindertagespflegepersonen in Hamburg, vertritt deren Interessen, berät Eltern und vermittelt Betreuungsplätze. Dieses Jubiläum ist zunächst Anlass, herzlichen Glückwunsch und vor allem Danke zu sagen. Danke für diese wertvolle Arbeit, die vielfach ehrenamtlich geleistet wird und die entscheidend dazu beigetragen hat, Kindertagespflege in Hamburg zu etablieren, zu professionalisieren und sichtbarer zu machen.
Das Jubiläum soll zudem Anlass sein, einmal auf die Entwicklung der Kindertagespflege in Deutschland zu schauen, die Situation in Hamburg zu betrachten und den Blick nach vorne zu wagen.
Entwicklungen in der Kindertagespflege in Deutschland
Mit der Verabschiedung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes 2005 ist die Kindertagespflege eine der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen gleichgestellte Form der Kindertagesbetreuung.
Trotz gleicher Förderaufträge in Bildung, Erziehung und Betreuung erbringen Kindertagespflegepersonen ihre Leistungen in einem anderen Rahmen mit einem eigenen Profil. Insbesondere im U3-Bereich werden Kinder in den Räumlichkeiten der Kindertagespflegepersonen, in Räumlichkeiten der Familien oder in angemieteten Räumlichkeiten betreut. Für viele Kinder und Familien werden die Angebote der Kindertagespflege als familiennah, bedürfnisorientiert und niedrigschwellig wahrgenommen. Nicht nur ist Kindertagespflege mit den kleinen Gruppen und familiennahen Settings für einige Kinder ein geeigneterer Einstieg in die Kindertagesbetreuung. Auch trägt die Betreuung in Randzeiten für einige Familien entscheidend zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei.
Durch den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr (§ 24 Abs. 2 SGB VIII) seit 2013 hat die Kindertagespflege einen weiteren deutlichen Aufschwung erlebt. Für immer mehr Kinder geht ein Besuch der Kindertagespflege dem Besuch in einer Kindertageseinrichtung voraus. Zur Gestaltung von Übergängen ist daher ein gegenseitiges Nachvollziehen der Betreuungssettings wichtig und hilfreich.
Zahlen aus dem Bildungsbericht 2022 belegen den Aufschwung der Bedeutung der Kindertagespflege. Während 2006 bundesweit 30.427 Kindertagespflegepersonen 59.829 Kinder betreut haben, wurde 2020 der zwischenzeitliche Peak erreicht und 172.988 Kinder von 44.782 Tagespflegepersonen betreut. Einher geht der Anstieg mit einem deutlichen Ausbau von Großtagespflegestellen, einem erhöhten Qualifikationsniveau und einer verstärkten Erwerbsorientierung der Tagespflegepersonen. Für Beachtung hat auf diesem Weg das Bundesprogramm „Kindertagespflege: Weil die Kleinsten große Nähe brauchen“ gesorgt, welches 2016 – 2018 an 31 Modellstandorten strukturelle Rahmenbedingungen als auch Qualifizierungsmaßnahmen von Kindertagespflegepersonen gefördert hat. Wie die wissenschaftliche Begleitung des Bundesprogramms des Deutschen Jugendinstituts zeigt, hat insbesondere die Implementierung „Kompetenzorientierten Qualifizierungshandbuchs Kindertagespflege“ (QHB) zu einer Steigerung des Qualifizierungsniveaus von Tagespflegepersonen beigetragen und damit starke Professionalisierungsimpulse gesetzt hat. Anknüpfend hat das Bundesprogramm „ProKindertagespflege: Wo Bildung für die Kleinsten beginnt“ dazu beigetragen, Kindertagespflegepersonen besser zu qualifizieren sowie Koordinierungsstellen in den Jugendämtern aufzubauen.
Seit 2021 sind die Zahlen der Kindertagespflege im Bundesdurchschnitt erstmals wieder rückläufig, was mutmaßlich mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie zusammenhängt. Zurückhaltende oder spätere Anmeldungen durch Eltern während der Pandemie, aber auch gestiegene finanzielle Risiken und Belastungen aufgrund der Soloselbständigkeit haben wahrscheinlich dazu beigetragen, dass viele Kindertagespflegepersonen ihre Tätigkeit aufgegeben haben und entweder in Kindertageseinrichtungen gewechselt sind oder das Feld der Kindertagesbetreuung gänzlich verlassen haben.
Aktuelle Situation der Kindertagespflege in Hamburg
In Hamburg ist die Zahl der Kindertagespflegepersonen entgegen dem Bundestrend schon länger stark rückläufig. Nach dem Hamburger Bildungsbericht 2020 gab es 2010 noch 1768 Kindertagespflegepersonen, 2019 waren es nur 875 (darunter 45 Tagesväter). Aktuell sind in Hamburg nach Angaben der Sozialbehörde etwa 591 Kindertagespflegepersonen tätig, die ca. 2500 Kinder betreuen. 2021 existierten 151 Großtagespflegestellen in Hamburg. Steigende Arbeitsbelastungen während der Pandemie, hoher Kostendruck durch die Inflation und nicht zuletzt der demographische Wandel haben auch in Hamburg dazu geführt, dass die Zahl der Kindertagespflegepersonen weiter gesunken ist.
Ein wichtiger Meilenstein zur Verbesserung der Qualifizierungsstandards und Rahmenbedingungen der Kindertagespflege in Hamburg war die Arbeit des Kooperationsverbundes aus PARITÄTISCHEM Hamburg und dem Verein Hamburger Tagesmütter und -väter e.V. im Rahmen der Hamburger Koordinierungsstelle im Bundesprogramm ProKindertagespflege.
Zum 1.Mai 2023 wurde in Hamburg – endlich – die Kindertagespflegeverordnung verändert und Tagespflegegelder orientiert an Tariflöhnen und vergleichbaren Tätigkeiten angepasst. Ebenso erhöht wurden die Sachkostenpauschalen, um etwa gestiegenen Belastungen durch erhöhte Mieten besser Rechnung zu tragen. Verlängert wurden die betreuungsfreien Zeiten auf fünf Wochen. Schließlich wurden verbindliche Qualitätsstandards in der Kindertagespflegeverordnung festgeschrieben und auf das bundesweit anerkannte kompetenzorientierte Qualifizierungshandbuch (QHB) umgestellt. Im Rahmen der Erhöhung der Qualifikationsstandards sind unter anderem zwei verbindliche 40-stündige Praktika vorgesehen – davon eines in der Kita. Ein guter Schritt zur Verzahnung von Theorie und Praxis und eine weitere Möglichkeit, dass Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege mehr Berührungspunkte erhalten.
Die Veränderung der Kindertagespflegeverordnung ist in und für Hamburg ein wichtiger Schritt, kann aber nur ein Zwischenschritt sein, um die Arbeitsbedingungen in der Kindertagespflege weiter zu verbessern und Tagespflegepersonen attraktivere Perspektiven für diese wichtige und erfüllende Arbeit zu schaffen.
Ausblick
Eine aktuelle Metastudie zeigt, dass Qualität in der Kindertagespflege insbesondere mit auskömmlicher Finanzierung, Kooperation und Vernetzung, einer qualifizierten Fachberatung sowie intrinsischer professionsbezogene Motivation der Kindertagespflegepersonen einhergeht. In der Fachwissenschaft wird überdies gefordert, Professionalisierung nicht nur auf Ebene der Tagespflegepersonen zu betreiben, sondern das Feld insgesamt und damit die politische Steuerungsebene, die kommunale Ebene als auch Fachpraxis stärker zu entwickeln. Für Kindertagespflege ist dabei Profilbildung ein zentraler Bestandteil, um sich noch besser zu etablieren.
Nicht zuletzt braucht es – auch in Hamburg – weitere Verbesserungen der Strukturen, etwa in der Etablierung von Vertretungsregeln oder im Ausbau einer leistungsgerechten Vergütung. Außerdem können nicht alle Programme und Maßnahmen, die für Kindertagesstätten konzipiert werden, eins zu eins für die Kindertagespflege übernommen werden. Hier braucht es bedarfsgerechte und an die Bedingungen der Kindertagespflege angepasste Lösungen. Dafür wird sich der PARITÄTISCHE in Zukunft weiter einsetzen und auch auf Bundesebene mit dem Bundesverband für Kindertagespflege weiter eng zusammen arbeiten. Dieser hat jüngst mit einer deutschlandweiten Aktionswoche unter dem Motto „gut betreut in Kindertagespflege“ erneut deutschlandweit auf die Belange der Kindertagespflege aufmerksam gemacht. In Hamburg freuen wir uns auf die weitere Zusammenarbeit mit dem Hamburger Tagesmütter und -väter e.V., um die Interessen der Kindertagespflege bestmöglich zu vertreten. Auf die nächsten 50 Jahre!
Tom Töpfer, Kita-Referent