Gehört die kommunale Suchtberatung bald der Vergangenheit an?
Vor dem Hintergrund einer wachsenden Komplexität der Fälle und einer höheren Nachfrage bei gleichzeitigem Personal- und Fachkräftemangel stehen Suchtberatungsstellen vielerorts unter erheblichem Druck: Sprech- und Öffnungszeiten müssen gekürzt werden. Schließungen von Suchtberatungsstellen sind bereits erfolgt, weitere Schließungen stehen bevor. Dreiviertel der öffentlich finanzierten Suchtberatungsstellen in Deutschland können ihre Kosten in diesem Jahr nicht decken. Von einem Defizit ihrer Angebote bis zu 20 % berichten über die Hälfte der Befragten. Ein Drittel der befragten Einrichtungen liegt sogar darüber. Das sind die alarmierenden Ergebnisse eines veröffentlichten Berichts der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) zur Finanzierung der Suchtberatungsstellen.
Suchtberatungsstellen leisten für die Gesellschaft eine unverzichtbare Hilfe: Sie retten Leben, begleiten und stabilisieren abhängigkeitskranke Menschen in Krisen und unterstützen hilfesuchende Angehörige. Für Betroffene führt der Weg in die Therapie meist über eine Suchtberatung. Der Nutzen ist auch für die öffentlichen Kassen relevant: Laut einer Studie in Bayern spart die ambulante Suchtberatung für jeden eingesetzten Euro rund 17 Euro an Folgekosten ein. Angesichts der hohen volkswirtschaftlichen Kosten des Alkoholkonsums von rund 57 Milliarden Euro und des Tabakkonsums von rund 97 Milliarden Euro ist jeder Euro in dies Suchtberatung also gut investiert. Aber:
„Die Politik muss handeln, damit die Suchtberatungsstellen in Deutschland weiterhin ihre wichtige Arbeit für die Gesellschaft und für Betroffene leisten können. Kern des Problems ist: Die kommunal finanzierte Suchtberatung ist keine verbindliche und gesetzlich gesicherte Leistung. Somit ist ihre Ausstattung auch von der Finanzlage der jeweiligen Kommune oder des Bundeslandes abhängig. Das ist besonders dramatisch, weil Suchtberatungsstellen häufig die erste Adresse für Hilfesuchende in akuten Krisen sind. Sie spielen die zentrale Rolle im hoch spezialisierten und vielgliedrigen Versorgungssystem für Menschen mit Suchtproblemen. Um den bedingungslosen Zugang, individuell ausgerichtete Angebote und die Kontinuität von Suchtberatung bundesweit sicherzustellen, hat die DHS Vorschläge für gesetzliche Neuregelungen erarbeitet. Als Dachorganisation der Suchthilfe und Sucht-Selbsthilfe in Deutschland fordert die DHS Bund, Länder und Kommunen zum Handeln auf. Die politischen Ebenen müssen sich abstimmen, um ein Wegbrechen der Suchtberatung zu verhindern“, sagt Christina Rummel, DHS Geschäftsführerin und Autorin des Berichts.
Für den DHS-Bericht zur Finanzierung der Suchtberatungsstellen in Deutschland wurden im Frühjahr 2024 rund 1.300 Einrichtungen, die das Angebot der ambulanten Beratung/Sucht- und Drogenberatung vorhalten und im DHS Suchthilfeverzeichnis aufgeführt sind, befragt. Dabei wurden ausschließlich Aussagen zur kommunal orientierten Suchthilfe erhoben.
Mit dem bundesweiten Aktionstag Suchtberatung am 14. November 2024 machen Suchtberatungsstellen in ganz Deutschland auf ihre vielfältigen Angebote sowie auf aktuelle Problemlagen vor Ort aufmerksam. Die Website aktionstag-suchtberatung.de informiert umfassend zu den Leistungen und zum gesellschaftlichen Stellenwert der Suchtberatung.
Der Paritätische ist Mitglied der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Ziel der DHS-Mitgliedsverbände ist es, ihre Fachkompetenz zu Fragen und Problemen der Suchtprävention und der Suchthilfe organisatorisch zu bündeln. Insofern steht die DHS für die Suchthilfe in Deutschland. Die Information und Hilfe für Konsumenten*innen, Missbraucher*innen, Abhängige und deren Angehörige wird in den unterschiedlichen Einrichtungen der Mitgliedsverbände und im Kontakt mit deren Mitarbeiter*innen angeboten und umgesetzt. Direkt zum Internetangebot der DHS.
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