Mit einer digitalen Auftaktveranstaltung am 20. November 2024 startete das zweijährige Projekt „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen und Diensten“ des Paritätischen Gesamtverbands seine Veranstaltungsreihe. Neben der Ergebnisvorstellung einer Umfrage zur Klimaanpassung in den Mitgliedsorganisationen, gab es spannende Inputs zu den Auswirkungen der Klimakrise auf soziale Einrichtungen und deren Mitarbeitenden und Klient*innen. Auch die Struktur eines Klimaanpassungskonzepts und entsprechenden Maßnahmen zur Anpassung an die Klimakrise und dem Schutz der Nutzer*innen und Mitarbeitenden wurden besprochen.
Erhöhte Arbeitsbelastung, Einschränkung der Abläufe, extra Kosten
Eine im Sommer 2024 durchgeführte Umfrage unter den Paritätischen Mitgliedsorganisationen zeigte deutlich, dass soziale Einrichtungen bereits deutlich von den Folgen der Klimakrise betroffen sind: 69,8 Prozent der Befragten berichteten, in den letzten zehn Jahren bereits unter den Folgen von Extremwetterereignissen gelitten zu haben. Hierzu gehören Starkniederschläge und Sturzfluten (41,6%), Hitzeperioden und Dürren (40,6%), Starwinde und Stürme (20,3%) sowie Hochwasser (8,8%). Die Auswirkungen dieser Wetterereignisse sind gravierend. 66,9 Prozent der Befragten geben an, dass die Arbeitsbelastung für Mitarbeitende gestiegen ist, und 48,9 Prozent weisen auf die Notwendigkeit erhöhter Schutzmaßnahmen hin. Zudem berichten 43,8 Prozent von Schäden an der Infrastruktur, 41 Prozent von höheren Betriebskosten und 26,1 Prozent von gesundheitlichen Auswirkungen. Betriebsausfälle und Unterbrechungen betrafen 23 Prozent der Einrichtungen. Der Handlungsbedarf ist groß. Doch obwohl 71,6 Prozent der Einrichtungen bereits Maßnahmen zur Klimaanpassung ergriffen haben, geben nur 29 Prozent an, über Strategien oder Konzepte zur weiteren Anpassung an den Klimawandel zu verfügen.
Projekt „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“
Hier möchte das über das BMUV geförderte Projekt ansetzen: Ziel ist es, soziale Einrichtungen und Dienste dabei zu unterstützen, ausgehend von einer Risiko- und Bedarfsanalyse, systematisch Klimaanpassungsmaßnahmen vor Ort umzusetzen. In Onlineworkshops werden verschiedene Aspekte der Klimaanpassung vertieft, in regionalen Präsenzworkshop stehen der Erfahrungsaustausch und die Vernetzung im Fokus und eine Broschüre soll konkrete Maßnahmen sowie eine koordinierte Herangehensweise aufzeigen.
Gesundheitliche Auswirkungen der Klimakrise
Die Auswirkungen der Klimakrise auf die menschliche Gesundheit sind vielfältig und nicht zu unterschätzen. Dies machte Dr. Andrea Nakoinz, Referentin bei der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG e.V.) und Klimamanagerin in einem Berliner Krankenhaus, in ihrem Vortrag deutlich. Neben der Ausbreitung von Allergien, Infektionskrankheiten und Pandemien, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und der Atemwege, steigt auch das Risiko für Unfälle und Verletzungen sowie die Gefährdung der mentalen Gesundheit. Nakoinz ging besonders auf die Folgen extremer Hitze ein: erhöhtes Risiko für Schlaganfälle, Herzinfarkte und Nierenfunktionsstörungen, erhöhte Aggressivität und Gewaltbereitschaft, erhöhtes Risiko für Frühgeburten sowie sogenannte Hitzekrankheiten wie Hitzschlag, Hitzekrämpfe oder Sonnenstich. Hitzeaktionspläne helfen dabei, spezielle Maßnahmen während Hitzeperioden, aber auch vorbereitende Maßnahmen vor dem Sommer und langfristige Maßnahmen wie bauliche Veränderungen zu planen, begleiten und evaluieren. Hierfür gibt es bereits zahlreiche Materialien und Vorlagen, die auch von sozialen Einrichtungen genutzt werden können.
Nicht alle sind gleichermaßen betroffen
Wie stark Menschen durch die Klimawandelfolgen gefährdet sind, ist abhängig von verschiedenen Faktoren: Alter, Gender, Gesundheitsstatus, sozioökonomischer Status, Arbeitstätigkeit und -ort, Bildungsstatus und Wohnverhältnisse spielen hier eine Rolle. Säuglinge und Kleinkinder, schwangere Personen, Menschen ab 65 Jahren, vorerkrankte, obdachlose, sozial isolierte und arme Menschen, Sportler*innen und im freien Arbeitende sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Ein Großteil dieser Personengruppen sind auch Zielgruppen Sozialer Arbeit, was die Dringlichkeit einer Auseinandersetzung mit Klimaanpassung verdeutlicht.
Die Mitarbeitenden schützen
„Wie können wir in Anbetracht multipler Krisen die Versorgungsqualität in den Einrichtungen erhalten?“ Mit dieser wichtigen Frage, wies Nakoinz darauf hin, dass Klimaanpassung nicht als weitere Aufgabe für ohnehin überlastete Fachkräfte verstanden werden darf. Vielmehr geht es darum, durch Klimaanpassung die Mitarbeitenden zu schützen, Krankheitsausfälle durch Hitze vorzubeugen und Arbeitsumgebungen so zu gestalten, dass die Mitarbeitenden nicht zusätzlich belastet werden.
Systematisches Vorgehen mit einem Klimaanpassungskonzept
Im zweiten Teil der Veranstaltung zeigte David Kienle, Projektleiter bei der KlimaKom, auf, wie soziale Einrichtungen mit Hilfe eines Klimaanpassungskonzepts Handlungsbedarfe erfassen und entsprechende Maßnahmen umsetzen können. Hier ging er besonders auf die Folgen von Hitze sowie Starkregen, Sturzfluten und Hochwasser ein. Ein Klimaanpassungskonzept sollte zielorientiert, legitimiert (z.B. durch Mitglieder oder Gesellschafterversammlung), sektorübergreifend, handlungsorientiert, partizipativ, überprüfbar und qualitätssichernd sein, so Kienle. Besonders der Aspekt der Beteiligung verschiedener Stakeholder und Betroffener während des gesamten Prozesses sei für den Erfolg eines Klimaanpassungsprozesses wichtig.
Von der Risikoanalyse zur Maßnahmenumsetzung
Als ersten Schritt bedarf es einer Standort- und Risikoanalyse: Befindet sich die Einrichtung in besonders Hitze gefährdeten Gebieten? Ist der Standort in der Nähe eines Gewässers und dadurch Hochwasser gefährdet? Und wo fließt das Wasser bei Starkregenereignissen ab? Mithilfe von Satellitendaten lässt sich so die spezifische Gefährdung eines Standorts ermitteln. Auch eine Analyse der besonderen Vulnerabilitäten und die Frage, wie gut Personal und Klient*innen auf Extremereignisse reagieren können, sind wesentliche Punkte der Analyse. Darauf aufbauend können in einem zweiten Schritt Ziele festgelegt und im dritten Schritt Maßnahmen entwickelt werden. Diese können sehr unterschiedlich sein: Von Warnsystemen und Notfallplänen über die Änderung betrieblicher Abläufe (z.B. die Einführung von Siesta oder die Anpassung von Speiseplänen) bis hin zu infrastrukturellen Maßnahmen. Die Umsetzung der Maßnahmen ist u.a. abhängig von der Finanzierung. Es besteht die Möglichkeit, sich ein professionelles Klimaanpassungskonzept über die Förderrichtlinie „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ fördern zu lassen. Aufbauen darauf können auch einzelne Anpassungsmaßnehmen gefördert werden. Dennoch stellt die Finanzierung von Klimaanpassungsmaßnahmen Träger vor große Herausforderungen. Doch neben den eher kostenintensiven baulichen Maßnahmen, gibt es auch Möglichkeiten, auf organisatorischer und personeller Ebene aktiv zu werden . Können im Sommer Angebote in kühlere Räume verlegt werden? Welcher Fortbildungsbedarf besteht bei den Mitarbeitenden zum Thema Klimaanpassung? Maßnahmen, die umgesetzt werden konnten, sollten in einem letzten Schritt überprüft und ggf. mit Blick auf die Zielsetzung angepasst werden.
Klimaschutz nicht vergessen
Abschließend wies Kienle darauf hin, dass bei all der Notwendigkeit von Klimaanpassung der Klimaschutz nicht vergessen werden darf. Je mehr Klimaschutz gestärkt wird, umso weniger drastisch sind die Folgen, an die wir uns anpassen müssen. Zudem gibt es Maßnahmen, die sowohl dem Klimaschutz als auch der Klimaanpassung dienen. Hierzu gehören etwa Dach- und Fassadenbegrünungen oder Flächenentsiegelungsprojekte.