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Offene Senior*innenarbeit: „Dieses Engagement kann nicht genug wertgeschätzt werden!“

Die offene Senior*innenarbeit in den Hamburger Bezirken wird maßgeblich von Ehrenamtlichen getragen. Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband Hamburg unterstützt gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz Landesverband Hamburg und dem Diakonischen Werk Hamburg dieses wertvolle Engagement in einem von der Wissenschaftsbehörde geförderten Projekt.

Im Rahmen dieses verbandsübergreifenden Projekts “Auf dem Weg zum Quartierstreffpunkt – Hauptamtliche Unterstützung für die Förderung sozialer Teilhabe und Teilhabe im Quartier und die Weiterentwicklung der offenen Senior*innenarbeit” begleiten sechs multiprofessionelle Mitarbeitende des PARITÄTISCHEN 20 Treffpunkte in ganz Hamburg. Sie unterstützten die Treffpunkte auf ihrem Weg hin zu offenen Quartierstreffpunkten für jeden Menschen.

Über die aktuellen Herausforderungen des Ehrenamtes und den Bedarf an hauptamtlicher Unterstützung berichten Stefanie Janssen (Referentin für Projekte und Treffpunkte 60+ des Diakonischen Werks Hamburg und Mitglied der Projektlenkungsgruppe), sowie Ursula Witsch (LAB St. Georg) und Ursula Wetzel (LAB Lokstedt), die als ehrenamtliche Treffpunktleiterinnen an dem Projekt beteiligt sind.


Welche Aufgaben in der offenen Senior*innenarbeit leisten Ehrenamtliche?

Janssen: Die offene Senior*innenarbeit ist ohne Ehrenamtliche nicht möglich. Vom Vorbereitungs- und Begrüßungsteam über die Gruppenleitung bis zur Leitung des Treffpunktes. In den Hamburger Treffs sind hunderte freiwillig Engagierte aktiv. Bei einigen Trägern übernehmen sie die Leitung, bei vielen Treffs unterstützen sie die hauptamtlichen Treffleitungen und gestalten die inhaltliche Arbeit. Dieses Engagement kann nicht genug wertgeschätzt werden!


Hat sich die Ehrenamtsstruktur in den Treffpunkten im Laufe der Jahre verändert?

Witsch: Es ist nicht leicht, Ehrenamtliche zu finden. Viele Einrichtungen bemühen sich, da müssen wir schon attraktive Bedingungen vorhalten.

Janssen: Noch haben wir langjährig Engagierte, oft über 80 Jahre alt, die sich aufgrund nachlassender Kräfte gerne zurückziehen möchten. Viele haben die Corona-Pandemie zum Ausstieg genutzt. Davon haben sich einige Treffs auch jetzt noch nicht erholt. Die Gewinnung von Ehrenamtlichen ist ein Dauerthema in den Treffs, das immer akuter wird.

Wetzel: Es gibt genügend, die sich engagieren wollen, aber die wenigsten wollen sich auch binden. Das war vor einigen Jahren noch anders. Die heutige Generation, die sich in der Nachberufslebensphase befindet, hat ganz andere Erwartungen an ihre Freizeit.

Janssen: Insbesondere die Babyboomer. Nicht Dauerverpflichtung, sondern zeitlich begrenztes Engagement. Nicht allein, sondern im Team. Nicht (nur) konkrete Aufgaben, sondern gestaltbare.

Wetzel: Hinzu kommt, dass viele mit ihrer Rente nicht auskommen und dazu verdienen müssen. Deshalb können sie sich nicht ehrenamtlich engagieren.


Welche aktuellen Themen und Herausforderungen gibt es für die Treffpunkte?

Wetzel: Durch die behördlichen Auflagen ist es sehr viel mehr Arbeit geworden, die so eigentlich gar nicht von Ehrenamtlichen geleistet werden kann. Es soll Freude machen und nicht nur in Arbeit ausarten.

Janssen: Das vergangene Jahr war besonders anstrengend für die Treffleitungen, denn seit 2023 gilt in Hamburg eine neue Global- und Förderrichtlinie zur bezirklichen Offenen Senior*innenarbeit. Mit der aktuellen Richtlinie ist die Finanzierung noch stärker an inhaltliche Kriterien gekoppelt. Dazu gehört eine gelebte Willkommenskultur z.B. gegenüber Migrant*innen oder queeren Menschen 60+ oder auch quartiersbezogene Angebote.

Witsch: Bei uns gibt es Gruppen, die schon seit vielen Jahrzehnten hier sind. Jetzt kommt ein Generationenwechsel auf uns zu. Auch für die geburtenstarken Jahrgänge muss es ein attraktives Angebot geben. Wir müssen also sehr darauf achten, dass wir für das ganze Spektrum an älteren Menschen Angebote haben.

Janssen: Die Treffs müssen sich darauf einstellen und einen attraktiven Auftritt entwickeln. Das kann nicht vom Ehrenamt geleistet werden, sondern bedarf hauptamtlich getragener Prozesse, oft mit externer Unterstützung.

Witsch: Ein weiteres Thema ist die Ausstattung. Auch die muss jünger werden! Da muss der Staat mehr Geld in die Hand nehmen, auch das gehört zur Gesundheitsfürsorge. Es gibt Menschen, für die das ihr Wohnzimmer ist. Das ist ihr einziger Kontakt zur Außenwelt. Die sollen sich hier doch wohlfühlen!

 

Sind die Treffpunkte denn ausreichend für die Bewältigung dieser Herausforderungen aufgestellt?

Janssen: Die Kriterien der neuen Global- und Förderrichtlinie, die auf ein von Diversität geprägtes Altersbild abzielen und die Entwicklung der Senior*innentreffs in Quartierstreffpunkte vorantreiben, sind grundsätzlich zu begrüßen. Doch die Vorgaben sind sehr hochschwellig. Auch ohne diese Anforderungen sind die Treffs am Limit. Diese Arbeit und erst recht deren Weiterentwicklung kann nicht allein auf die Schultern von freiwillig Engagierten gelegt werden! Ein Schritt in die richtige Richtung ist das derzeit laufende Projekt „Hauptamtliche Unterstützung der offenen Senior*innenarbeit“. Ziel muss es sein, dauerhaft hauptamtliche Koordinator*innen in den Treffs zu finanzieren, deren Tätigkeit einen wichtigen Schwerpunkt haben wird: die Gewinnung von freiwillig Engagierten!

 

Lucas Claren, Projektmitarbeiter Hauptamtliche Unterstützung zur Weiterentwicklung der offenen Senior*innenarbeit, zusammen mit seinen Kolleg*innen Mira Buchner, Justina Feldmann, Jonas Luke, Claudia Rohn und Stephanie Siegert

Foto: Ursula Wetzel, Treffpunktleitung des LAB Lokstedt, und Lucas Claren; © Jasper Ehrich