Die Umsetzung der Personalbemessung nach § 113c SGB XI in vollstationären Pflegeeinrichtungen ist auch ein großes Bildungsthema, welches in den Bundesländern angeschoben und koordiniert werden muss.

Es ist hinlänglich bekannt, dass für die Umsetzung des Personalbemessungsinstruments bis 2030 voraussichtlich 120.000 zusätzliche nach Landesrecht ausgebildete ein- oder zweijährige bzw. staatlich anerkannte Pflegehilfskräfte benötigt werden. Im Qualifikationsmixmodell (QMM) werden diese Kräfte als Qualitätsniveau 3 (QN 3) bezeichnet. Die Pflegestatistik 2019 weist zwar über 50.000 dieser Kräfte aus, welche derzeit in vollstationären Pflegeeinrichtungen arbeiten sollen sowie zusätzlich über 17.000 Krankenpflegehelfer, die im QMM analog zu QN-3 gesehen werden müssen. Dies wären mithin schätzungsweise rd. 13 % aller Beschäftigten in der „Pflege und Betreuung“ nach Logik des Personalbemessungsinstruments. Allerdings deckt sich dies nicht mit den Abfrageergebnissen von Pflegeeinrichtungen aus unterschiedlichen Bundesländern. Demnach wäre der durchschnittliche Anteil weitaus geringer. Angesichts des ca. 30 %-igen Anteils, den diese Mitarbeiter*innen künftig am QMM ausmachen, wären allerdings auch 13 % deutlich zu wenig.

Angesichts dieser Ausgangssituation ist ein spezielles Maßnahmenbündel[1] erforderlich, um Mitarbeiter*innen in ausreichender Zahl aus- oder weiterzubilden. Diese Maßnahmen werden zwar regelmäßig und bei allen Gelegenheiten auf Bundesebene angesprochen, aber konkret anschieben lassen sich diese zunächst aufgrund der Zuständigkeiten ganz überwiegend nur auf Landesebene. Daher ist zu empfehlen, diesen Themenbereich gesondert und verstärkt über alle Akteure und Schnittstellen hinweg in Bewegung zu bringen (Landespflegeausschüsse, Spiegelgremien KAP, Gesundheits-, Arbeits- und Bildungsministerien, Landesämter für Gesundheit, Kostenträger, LAGen, Pflegegesellschaften, Agenturen für Arbeit, usw.):

1. Das in den erweiterten §§ 84 und 85 SGB XI geregelte Pflegehilfskraftstellenprogramm ist ein erster wichtiger Schritt hin zur Umsetzung des Personalbemessungsinstruments nach § 113c SGB XI. Bisher wurden etwa 25 % umgesetzt. Da das Programm in Korrespondenz mit § 113c SGB XI regulär noch bis zum 30.06.2023 genutzt werden kann, ist zu empfehlen davon Gebrauch zu machen, zumal auch Stellen für Pflegehilfskräfte ohne eine entsprechende Ausbildung (QN 1 und 2) finanziert werden, wenn sie bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Vereinbarung des Vergütungszuschlages nach § 84 Absatz 9 Satz 1 oder nach der Mitteilung nach Absatz 11 Satz 1 SB XI eine entsprechende Ausbildung beginnen. Zu berücksichtigen ist sicherlich, dass § 113c Absatz 6 SGB XI vorsieht, dass die Zuschläge mit der ersten auf den 01.07.2023 folgenden Pflegesatzvereinbarung in die Pflegesätze überführt werden sollen – spätestens aber zum 31.12.2025 (wenn bis dahin keine Verhandlung erfolgte).  

2. Grundsätzlich müssen die Länder in die ein- bzw. zweijährige Pflegehelferausbildung investieren. Es fehlen Schulplätze und Lehrer*innen. Hierzu braucht es ein Investitionsprogramm und ggf. einer Ausbildungsoffensive für Pflegehilfskräfte, was sich auf Bundesebene aufgrund der bestehenden Ausbildungsoffensive Pflege für Fachkräfte und der fehlenden Zuständigkeit derzeit nicht realisieren lässt.

3. Die vorhandenen Ausbildungslehrgänge und Kurse im Rahmen der Pflegefachkraftausbildung sollten dahingehend (auch rechtlich) überprüft werden, ob Fächer zusammen mit Pflegehilfskraftauszubildenden unterrichtet werden können. Naheliegend ist dies, denn die Inhalte für die 1- oder 2-jährig ausgebildeten Pflegehilfskräfte, wie Betreuung, Hauswirtschaft und direkte Pflege, einfache Behandlungspflege, Umsetzung der Pflegeplanung bei Menschen mit stabilen Pflegesituationen sind in Anlehnung an die Inhalte der Zwischenprüfung gem. § 7 PflAPrV (Anlage 1) im ersten Teil der Pflegefachkraftausbildung überwiegend identisch.

4. Ein Großteil der zukünftigen staatlich anerkannten Pflegehilfskräfte werden sich kurz- und mittelfristig aus dem bestehenden Personalstamm rekrutieren lassen müssen. Heute verfügt nahezu die Hälfte der Belegschaft in der Pflege und Betreuung Pflegehilfskräfte über das Qualifikationsniveau 1 und 2 (QN 1und 2). Nach Umrechnung des Personals in die neue „Personalbemessungs-(PeBeM)-Systematik“ nach Qualifikationsniveaus wird – je nach Grad der Umsetzung der Personalanhaltszahlen nach § 113c Absatz 1 SGB XI – eine entsprechende Anzahl an Pflegehilfskräften mit dem QN 1 und 2 „überhängig“ sein. Sie stehen zwar unter Bestandschutz (die Stellen, nicht die Mitarbeiter*innen), aber in Ihnen liegt ein großes Potential zur Ausbildung von staatlich anerkannten Pflegehilfskräften mit den QN 3.

  • Dafür ist einerseits die normale 1- oder 2-jährige Ausbildung denkbar.  Für die Stellenanteile der personellen Ausstattung, die bereits über die mindestens zu vereinbarende personelle Ausstattung hinausgehen, gelten sogar die Sonderregelungen für die Finanzierung von berufsbegleitenden Ausbildungen nach § 8 Absatz 6 SGB XI und nach § 84 Absatz 9 SGB XI in Verbindung mit § 85 Absatz 9 bis 11 SGB XI ab 01.07.2023 fort (auch Zuschlag n. § 85 Absatz 9 Nummer 1c SGB XI). Andernfalls ist zu empfehlen, das Thema Umschulung / Weiterbildung (z.B. Qualifizifierungschancengesetz usw.) zu befördern. Lt. der Berichtersstattung aus der Ausbildungsoffensive Pflege wird dieser Bereich durch die Agenturen für Arbeit nicht im besonderen Maße gefördert. Ggf. ist hier ein Umsteuern erforderlich.
  • Andererseits kommt – und diese vermutlich bei langjährigen Mitarbeiter*innen zuvörderst - auch das Instrument der „Externenprüfung“ in Frage, womit sich eine wesentlich schnellere Nachqualifizierung herbeiführen lässt. Hierzu ist es erforderlich, die Landesämter für Gesundheit, die für die Anerkennung zuständig sind, zur Formulierung und Ausgestaltung des Prüfrahmens zu „bewegen“. Andererseits muss die Begleitung und Prüfung mit Pflegeschulen koordiniert werden. Das dort zur Verfügung stehende Personal (Lehrer*innen, Dozent*innen) ist rar. Häufig wird mit Externen und Freiberuflern gearbeitet. D.h., in den Landesverbänden ist es sinnvoll das Potential der Externenprüfung zu erheben und entsprechende Kurs- bzw. Prüfangebote zu planen und zu kalkulieren. Nach unserer Kenntnis entstehen Kosten zwischen 800 € und 2000 € je Externenprüfverfahren. Zudem sollten bei den Schul- und Dozentenstrukturen Synergien und Kooperationen mit anderen Verbänden ausgelotet werden. Die entstehenden Kosten sind pflegesatzrelevant und sollten entsprechend prospektiv in Verhandlungen berücksichtigt werden.         

5. Die Anerkennung der (bestandenen) 1. Zwischenprüfungen im Rahmen der Pflegefachkraftausbildung ist ein weiteres Mittel, um den Titel als staatlich anerkannte Pflegehilfskraft im Sinne des QN 3 zu erhalten. Dies wird bisher allerdings nicht oft praktiziert. Angesichts der hohen Abbrecherquote in der Fachkraftausbildung (8 % oder ca. 5000 Azubis) erschließt sich daraus ein hohes Potential – vorausgesetzt die Abbrecher haben die 1. Zwischenprüfung absolviert. Dieses Thema muss in den zuständigen Ministerien und Behörden befördert werden.

6. Die Harmonisierung oder Vereinheitlichung der nach Landesrecht organisierten Pflegehilfskraftausbildungen ist im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung festgeschrieben. Hierzu finden bereits Bund-Länder Runden hinter verschlossenen Türen statt, aber das Verfahren ist voraussichtlich zu langsam. Gerade deswegen muss empfohlen werden, in den Ländern die erneute oder erstmalige Etablierung dieser Ausbildung oder deren Ausbau politisch zu befördern. Damit im Zusammenhang steht auch die Finanzierung. Einige wenige Länder haben diese Ausbildung bereits auf eine Finanzierung umgestellt, die dem PflBG entspricht. Andere Länder haben dies angekündigt. Abgesehen von den bürokratischen Problemen, welche diese Struktur mit sich bringt, ist dies Zielführend. Eine Regelung zur Pflegeassistenzausbildung wurde jüngst auch im Krankenhausentlastungsgesetz (KHPflEG) aufgenommen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass für eine gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern gesorgt werden soll. So ist nun nach Aussage des BMFSFJ im Rahmen der Ausbildungsoffensive Pflege (nachdem dort die Regelung angesichts der nicht eindeutigen Erstreckung auf den Langzeitpflegebereich hinterfragt wurde) angeblich im KGPflEG der Weg dafür geebnet worden, dass mittelfristig die Pflegeassistenzausbildungen über den Ausbildungsfonds nach § 26 ff. PflBG finanziert werden sollen.

7. Derzeit werden nach Landesrecht ausgebildete Pflegehilfskräfte, die eine Aufenthaltserlaubnis (zur Ausübung einer Beschäftigung) gem. Aufenthaltsgesetz besitzen, noch regelmäßig mit der Begründung abgeschoben, dass kein öffentliches, insbesondere kein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht. Das Chancenaufenthaltsgesetz hat hierbei jüngst leider keine Veränderung gebracht, obwohl der Bundesrat eine entsprechende Formulierung zur Abschaffung der Arbeitsverbote für bereits in der Bundesrepublik Deutschland lebende geduldete Personen empfohlen hatte und die staatlich anerkannten Pflegehelferausbildungen als qualifizierte Berufsausbildung deklariert werden sollten. Das Thema wird im Prozess zum Fachkräftezuwanderungsgesetz bzw. im 2. Migrationspaket weiter gefordert werden, aber wie anhand der o.g. Entwicklung zu entnehmen ist, waren die Länder über den Bundesrat bereits auf der richtigen Spur. Dies gilt es ebenfalls auf Landesebene weiter zu befördern.         


[1] Davon abzugrenzen sind alle einrichtungsinternen Bildungsmaßnahmen, die auf der Ebene der Personal- und Organisationsentwicklung bei Führungskräften und allen anderen Mitarbeitenden zur Umsetzung beitragen - etwa zum Einstudieren der kompetenzorientierten Aufgaben- oder Rollenverteilungen usw.