Das AGG reformieren und den Diskriminierungsschutz stärken

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist am 18. August 2006, also bereits vor 17 Jahren, in Kraft getreten. Seit diesem Tag besteht das AGG in fast unveränderter Fassung fort. Der bestehende erhebliche Reformbedarf hinsichtlich des AGG wird in weiten Teilen der Zivilgesellschaft gesehen.

Das Ziel des AGG ist es, Menschen vor Diskriminierung zu schützen. Aber bereits im Rahmen der Evaluierungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zum AGG wurde festgestellt, dass ein Bedarf zur Reformierung dieses Gesetzes besteht, um den Schutz vor einer Diskriminierung zu stärken. Entsprechende Änderungen durch den Gesetzgeber erfolgten aber bisher nicht. Lediglich im Jahr 2022 wurde das AGG dahingehend ergänzt, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes von einem / einer Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung geleitet wird, die / der vom Bundestag gewählt wird (vgl. § 25 Abs. 3 AGG).

Auch die aktuelle Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP führt in ihrem Koalitionsvertrag (2021) aus:

„Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden wir evaluieren, Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten.“

Weiter heißt es im Koalitionsvertrag, dass das Netzwerk an zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen gegen Diskriminierung flächendeckend auszubauen und nachhaltig zu finanzieren ist.

Trotz des festgestellten Handlungsbedarfs durch die Regierungskoalition ist ein Gesetzgebungsprozess zur Reform des AGG noch nicht begonnen worden. Ein entsprechender Referentenentwurf bzw. ein Eckpunktepapier sind zumindest angekündigt.

Bereits am 22. September 2017 hat sich der Verbandsrat des Paritätischen zur erforderlichen Stärkung des Diskriminierungsschutzes und zum Reformbedarf des AGG positioniert. Das dazu im Jahr 2017 verfasste detaillierte Positionspapier wurde geprüft und an wenigen Punkten an die aktuellen gesellschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten angepasst. Dabei wird auch die fortschreitende Entwicklung von automatisierten und algorithmenbasierten Entscheidungssystemen berücksichtigt, die in viele Lebensbereiche Einzug hält. Damit wird sichergestellt, dass das Papier weiterhin den aktuellen zivilgesellschaftlichen Anforderungen gerecht wird. Wie bereits im Jahr 2017 im Positionspapier des Paritätischen ausgeführt, besteht auch heute weiter die Auffassung, dass der gewährte Schutz vor Diskriminierung durch das AGG äußerst lückenhaft ist und insgesamt - letztlich auch über das AGG hinaus - gestärkt werden muss. Das aktualisierte Positionspapier des Paritätischen finden Sie rechts als pdf-Datei angefügt.

Die Forderungen des Paritätischen zur Reform des AGG und zur Stärkung des Diskriminierungsrechts werden nachfolgend kurz zusammengefasst (als pdf-Datei rechts angefügt).

 

I. Der Zugang zum Diskriminierungsschutz und die entsprechende Rechtsdurchsetzung sind zu verbessern.

  1. Zur Stärkung eines effektiven Rechtsschutzes muss eine gesetzlich normierte Prozessstandschaft zulässig sein und ein Verbandsklagerecht aufgenommen werden.
  2. Die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem AGG ist auf mindestens 6 Monate zu verlängern und das vorgerichtliche Schieds- bzw. Schlichtungsverfahren ist zu vereinheitlichen.
  3. Die Beschränkung der Höhe des Entschädigungsanspruchs ist aufheben und den europarechtlichen Vorgaben anzupassen.
  4. Das Netz der Antidiskriminierungsstellen und qualifizierten Beratungsstellen ist zu stärken und auszubauen. Die Finanzierung ist gesetzlich sicherzustellen.

II. Der Schutz vor Diskriminierung im Bereich Ämter und Behörden, Sozialversicherung, Justiz und Polizei ist zu stärken.

  1. Das AGG ist grundsätzlich auf den staatlichen Bereich auszuweiten. Hierzu gehört auch das Handeln der Polizei und der Justiz.
  2. Die Ausweitung im sozialrechtlichen Bereich ist erforderlich, insbesondere ist die Regelung des § 33 c SGB I nicht ausreichend.
  3. Eine Ausweitung auf den Bereich der staatlich organisierten Bildung ist notwendig.

III. Die Diskriminierungsgründe / -merkmale sind zu ergänzen bzw. präzisieren.

Die Liste der Diskriminierungsmerkmale in § 1 AGG grundsätzlich zu öffnen.

Folgende Merkmale sind beispielhaft zu ergänzen:

„Sprache“ und ethnische Herkunft“, „chronische Erkrankung“, „Beeinträchtigung aufgrund genetischer Disposition“ und „äußeres Erscheinungsbild“, soziale Lage“ und „familiäre Fürsorgeverantwortung“

  1. Folgende Merkmale sind sprachlich anzupassen:
    • „Rasse“ in „aus rassistischen Gründen“,
    • "sexuellen Identität" und „Geschlechtsidentität“
  2. Ein diskriminierungsfreier Zugang zu Versicherungsleistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen ist zu gewährleisten.
  3. Der Schutz vor sexualisierter Belästigung ist auf alle Lebensbereiche auszuweiten.

IV. Die bisherigen Ausnahmen im Bereich des zivilrechtlichen Benachteiligungsverbots sind zu überprüfen.

  1. Im Bereich Wohnen ist der Anwendungsbereich auf Vermieter*innen, die weniger als 50 Wohnungen vermieten (vgl. § 19 Abs. 5. S. 3 AGG) und auf das Handeln von Makler*innen und Hausverwaltungen auszuweiten.
  2. Das AGG ist auf alle ärztliche Behandlungsverträge anzuwenden.

V. Die Barrierefreiheit ist zu stärken und der Diskriminierungsschutz ist durch angemessene Vorkehrungen zu fördern.

VI. Es sind Maßnahmen zur Prävention einzuführen bzw. auszubauen, wie die Einführung von Diversity-Strategien.