Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) hat im Juni 2022 Mitarbeitende von Beratungsstellen der Freien Wohlfahrtspflege in ganz Deutschland zum Zugang zu und Erreichbarkeit von Jobcentern und Arbeitsagenturen für Leistungsberechtigte, Hilfesuchende sowie Beratungsstellen befragt. Hintergrund der Befragung waren zahlreiche Berichte aus Einrichtungen und Diensten der Freien Wohlfahrtspflege über Probleme beim persönlichen Zugang und der Erreichbarkeit dieser Behörden während der Corona-Pandemie.
Die Ergebnisse der Befragung von knapp 1000 Mitarbeitenden aus über 600 Beratungsstellen geben einen Einblick in die Situation vor Ort, haben jedoch keinen repräsentativen Charakter. Im Ergebnis wird zugleich deutlich, dass die Erreichbarkeit von Jobcentern und Arbeitsagenturen und der Zugang zu diesen Behörden häufig eingeschränkt ist – mit (zum Teil erheblichen) Folgen für Leistungsberechtigte und Hilfesuchende.
73,5% der Befragten geben an, dass persönliche Beratung im Jobcenter vor Ort nur mit Termin möglich ist. 7,9% sagen, dass persönliche Beratung vor Ort in ihrem Jobcenter gar nicht möglich ist, auch nicht mit Termin. 30,9% der Befragten geben an, dass es keine frei zugängliche Eingangszone im Jobcenter gibt, sodass z.B. eine persönliche Abgabe von Unterlagen gegen Empfangsbestätigung nicht möglich ist. Rund 28% weisen darauf hin, dass das Jobcenter keine regulären Öffnungszeiten hat. Für einen Teil der Leistungsberechtigten hat die eingeschränkte Erreichbarkeit deutliche Folgen. Verspäteter Leistungsbezug, (drohender) Wohnungsverlust und anhaltemde Wohnungslosigkeit tangieren das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum – jeder solcher Fall, der aus der Beratungspraxis gemeldet wird, ist einer zu viel. Darüber hinaus erleben Leistungsberechtigte Überforderung und Ohnmacht, wenn sie sich nicht mehr in der Lage sehen, ihre Angelegenheiten mit dem Jobcenter selbst zu klären, weil die Hürden für den Zugang zu dieser Behörde zu hoch sind, und sind auf die (Krisen-)Intervention durch andere angewiesen.
Die Befragungsergebnisse sind auch vor dem Hintergrund der geplanten Bürgergeldreform problematisch. Mit dem Bürgergeld sollen das vertrauensvolle Miteinander und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe in den Jobcentern in den Mittelpunkt gerückt werden. Mehr Bürgerfreundlichkeit und weniger Bürokratie sollen in den Jobcentern und im SGB II einkehren. All das setzt in erster Linie voraus, dass alle Leistungsberechtigten ihr Jobcenter unkompliziert erreichen können – das ist nicht gegeben.
Aus Sicht der Wohlfahrtsverbände müssen deshalb persönliche Zugangswege in der Behörde denselben Stellenwert wie digitale Kontaktmöglichkeiten erhalten und in jedem Fall ein ausreichendes Maß an persönlichen Kontaktmöglichkeiten gemessen an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Leistungsberechtigten
und Hilfesuchenden vorhanden sein.
Hilfreich sind zudem
- täglich offene Sprechzeiten, in denen Leistungsberechtigte ohne Termin zur
Klärung dringender Anliegen ins Jobcenter / die Arbeitsagentur kommen können;
-eine täglich geöffnete Eingangszone, in der Leistungsberechtigte eine Empfangsbestätigung für eingereichte Unterlagen erhalten;
- die Sicherstellung eines zügigen Einscannens und Einpflegens von Unterlagen
in Akten;
- die Nennung von Ansprechpartner*innen auf den Bescheiden inklusive Telefonnummer
(Direktdurchwahl oder zumindest Teamrufnummer) und E-Mail-Adresse;
-strukturelle Kooperation mit sozialen Beratungsstellen auf der Basis von Kooperationsvereinbarungen;
- die zeitnahe Vorbereitung von geeigneten Schutzmaßnahmen für den kommenden
Winter mit denen persönliche Kontakte und Beratung möglich sind.
Link zur BAGFW-Pressemitteilung: https://www.bagfw.de/veroeffentlichungen/pressemitteilungen/detail/umfrage-sozialer-beratungsstellen-zeigt