Der Paritätische Gesamtverband hat sich in einem Brief an das Bundesministerium des Inneren und für Heimat sowie an das Auswärtige Amt zur Aufnahme von Erdbebenbetroffenen aus der Türkei und aus Syrien in Deutschland geäußert.
Der Paritätische Gesamtverband begrüßt in dem Schreiben zunächst die Vereinfachung der Visaerteilung für türkische Staatsangehörige, die von den Folgen des Erdbebens betroffen sind, als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. Gleichwohl macht der Verband in Zusammenhang mit der beschleunigten Visaerteilung darauf aufmerksam, dass auch das vereinfachte Verfahren zu bürokratisch ist, die Erleichterungen noch zu kurz greifen und zu wenige Personengruppen von den Anpassungen profitieren.
So gelten die getroffenen Visaerleichterungen nicht für Syrer*innen sowie geflüchtete Personen z.B. aus Afghanistan oder anderen Ländern, die sich in der türkisch-syrischen Grenzregion aufhalten und gleichermaßen von den Folgen der Erdbeben betroffen sind. Auch für sie müssen unbürokratische Visaverfahren geschaffen werden, wenn sie Verwandte in Deutschland haben, die sie aufnehmen können und wollen. Diesen Betroffenen ist ein Weg in die umliegenden deutschen Auslandsvertretungen, wie die Botschaften in Beirut und Amman oder das Generalkonsulat in Istanbul, kaum möglich. Der Verweis auf das reguläre Visumsverfahren sowie eine Aufstockung von Terminen in den Auslandsvertretungen zum Familien-, Ehegatten-, Kinder-, oder Elternnachzug reicht hier bei Weitem nicht aus.
Ferner weist der Paritätische Gesamtverband darauf hin, dass in Bezug auf die Regelungen, die für türkische Staatsangehörige getroffen wurden, die Visaerleichterung nicht nur auf Verwandte ersten und zweiten Grades angewandt werden darf. Auch weitere Verwandte, wie z.B. Neffen und Nichten, können betroffen sein und insbesondere, wenn sie ihre Eltern verloren haben, Unterstützung in Deutschland benötigen.
Schwierigkeiten sieht der Paritätische Gesamtverband zudem bei der geforderten Verpflichtungserklärung, die die verwandte Person in Deutschland abgeben muss und sie verpflichtet, für alle Kosten aufzukommen, die für die einreisende Person in Deutschland anfallen. Zum einen muss diese Erklärung – zusammen mit acht weiteren Unterlagen – im Original in der Türkei eingereicht werden, was in der Praxis eine enorme bürokratische Hürde darstellt. Zum anderen ist die finanzielle Belastung für viele Aufnehmende ein unkalkulierbares Risiko. Betroffene des Erdbebens haben neben körperlichen Einschränkungen in Folge der Katastrophe auch seelische Traumata, die eine medizinische Behandlung in Deutschland notwendig machen können. Da die anfallenden Kosten, z.B. aufgrund von notwendigen Aufenthalten im Krankenhaus und/ oder ambulanten Behandlungen, für Selbstzahler*innen sehr hoch sein können, sollten zumindest die Kosten für die medizinische Versorgung durch den Staat übernommen werden. Diese Praxis hat sich bei verschiedenen Landesaufnahmeprogrammen bereits bewährt.
Abschließend weist der Paritätische Gesamtverband darauf hin, dass für viele Betroffene ein dreimonatiger Aufenthalt nicht ausreichen wird. Hier gilt es, für besonders vulnerable Personen bereits jetzt humanitäre Zugangswege zu eröffnen. Und auch für den Familiennachzug braucht es nun dringend großzügige Ausnahmeregelungen – auch für die bereits beantragten Visa. Hier sollte es für die Betroffenen des Erbebens großzügige Ausnahmen von der Sicherung des Lebensunterhaltes geben und die Hürden für die Identitäts- und Verwandtschaftsnachweise gesenkt werden, wenn diese Papiere in den Trümmern zerstört wurden.