Aktuelles Urteil des BAG zu Verjährung von Urlaubsansprüchen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub im Grundsatz zwar der gesetzlichen Verjährung unterliegt. Allerdings beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Sachverhalt war, dass die Klägerin, eine Steuerfachangestellte, nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses die Abgeltung ihres nicht genommenen Urlaubs aus dem Jahr 2017 (und aus Zeiträumen davor) verlangte. Sie trug vor, dass sie den Urlaub aufgrund ihrer hohen Arbeitsbelastung nicht habe nehmen können. Ihr damaliger Arbeitgeber berief sich erwartungsgemäß auf die Verjährung etwaiger Ansprüche. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt nach § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) drei Jahre.

Das BAG hatte dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) den Fall mit der Frage vorgelegt, ob es rechtens ist, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub verjährt, wenn der Arbeitgeber den/die Arbeitnehmer*in nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auch wahrzunehmen?

Der EuGH hat daraufhin am 22. September 2022 entschieden, dass sich Arbeitgeber in Bezug auf den Urlaubsanspruch nicht auf Verjährung berufen können, wenn sie ihre Beschäftigten zuvor nicht tatsächlich in die Lage versetzt haben, diesen Anspruch auch wahrzunehmen (Rechtssache C‑120/21).

Wir hatten darüber berichtet (siehe unter "Weiterführende Links").

Dem ist das Bundesarbeitsgericht in seiner aktuellen Entscheidung vom 20. Dezember 2022 (Az. 9 AZR 266/20) nun gefolgt und hat die Vorgaben des EuGH umgesetzt.

Es hat „im Fahrwasser“ der Rechtsprechung des EuGH entschieden, dass die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch, kurz: BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub im Grundsatz zwar Anwendung finden. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginnt bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den/die Arbeitnehmer*in über seinen/ihren konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der/die Arbeitnehmer*in den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (Quelle: Pressemitteilung des BAG 48/22 vom 20. Dezember 2022, siehe unter "Weiterführende Links").

Einrichtungen ist daher dringend zu empfehlen, konkret und in völliger Transparenz dafür sorgen, dass die Arbeitnehmer*innen tatsächlich in der Lage sind, ihren bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Dazu müssen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmer*innen schon zu Beginn des Kalenderjahres:

  • in Textform mitteilen,
  • wie viele Arbeitstage Urlaub ihnen im Kalenderjahr zustehen,
  • sie auffordern, ihren Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann,
  • und sie über die Konsequenzen belehren, die eintreten, wenn der Urlaub nicht entsprechend der Aufforderung beantragt wird, sprich
  • einen Hinweis erteilen, dass der Urlaub grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt, wenn Arbeitnehmer*innen in der Lage waren, ihren Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen, sie ihn aber nicht beantragt haben.

Nehmen Arbeitnehmer*innen ihren bezahlten Jahresurlaub dann trotzdem nicht in Anspruch, geschieht dies aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen. Nur dann verfällt der Urlaub beziehungsweise können sich Arbeitgeber auf Verjährung berufen.